Jungvögel

Jungvögel in heimischen Gärten

Durch die kontinuierliche Anpassung an seine Bedürfnisse zerstört der Mensch immer mehr intakte Natur. Mit den schwindenden Lebensräumen sank die Artenvielfalt bereits beträchtlich. Dennoch schafften es einige Tierarten, vor allem die sog. Kulturfolger sich an die neuen Lebensbedingungen erfolgreich anzupassen. Um einer weiteren Verarmung der einheimischen Tierwelt entgegenzuwirken, reicht es schon aus, den eigenen Garten oder einzelne Bereiche des Gartens naturbelassen zu bewirtschaften und damit unserer heimischen Tierwelt wieder entsprechende Voraussetzungen zur Ansiedlung zu bieten.

Im Gegensatz zum reinen Ziergarten mit exotischen Gewächsen, benötigt unsere einheimische Fauna heimische Nutz- und Wildpflanzen (z. B. beerentragende Sträucher und Obstbäume, samentragende Wildkräuter). Diese dienen Insekten als Nahrungsquelle, die wiederum auf dem Speiseplan vieler Vogelarten stehen. Leider werden viele Wildkräuter und Insekten von übereifrigen Hobbygärtnern als »Unkraut« bzw. »Schädlinge« eingestuft und umgehend bekämpft. Obstbäume erscheinen überflüssig und arbeitsintensiv, wenn das Obst zu Billigpreisen in Supermärkten bereit liegt.

Diese Vernichtung von potentiellen Nahrungsquellen stellt einen erheblichen Eingriff in das Ökosystem Garten dar. Ebenso wichtig sind Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten für unsere heimische Tierwelt, zu der auch Beutegreifer (wie z.B. Marder, Habicht u. a.) gehören, welche für ein natürliches Gleichgewicht unter den Arten sorgen. Reisig- und Laubhaufen bieten am Boden lebenden Tieren und brütenden Vögeln ein adäquates Zuhause. Zierbrunnen, Goldfischteiche und Maschendrahtzaun hingegen bedeuten für viele Wildtiere ein grausames Ende, wenn nicht an Ausstiegshilfen und Durchschlüpfe gedacht wird. Zwar kann ein tierfreundlicher Garten unter Umständen zu Meinungsverschiedenheiten mit Nachbarn führen, da er nicht dem gängigen »Schönheitsideal« der Gärten hier zu Lande entspricht, aber sein »biologischer Wert«, der durch die Artenvielfalt entsteht, macht solche Unannehmlichkeiten schnell wieder wett.

Eine nicht unerhebliche Anzahl an Wildvögeln – auch von seltenen Arten – werden leider regelmässig von unbeaufsichtigten und herrenlosen Stubentigern erbeutet. Hierfür tragen ausschliesslich die Tierhalter die Verantwortung. Besonders zur Brut- und Setzzeit sollten Hunde und Katzen vor allem in Wald und Feld nicht unbeaufsichtigt laufen. In erster Linie werden Niederwild und Bodenbrüter dort bei der Aufzucht ihrer Jungen gestört und die Jungtiere gefährdet. In diesem Zusammenhang möchten wir auf den §25 des Landesjagdgesetzes NRW hinweisen.

Jungvogel gefunden – was tun?

Grundsätzlich ist die Mitnahme eines Jungvogels zur häuslichen Aufzucht nur in absoluten Gefahrensituationen akzeptabel! Es gilt ausserdem, die gesetzlichen Bestimmungen zu beachten, die eine Aufnahme regeln. Daher und aufgrund der spezifischen Futteranforderungen sollten aufgefundene Wildvögel (vor allem Verletzte!) immer in fachkompetente Hände abgegeben werden. Für eine dauerhafte Pflege von Wildvögeln, die nicht mehr in die Freiheit entlassen werden können, ist eine behördliche Genehmigung notwendig.

Jungvögel, die einzeln und verlassen in der Natur aufgefunden werden, erwecken – aufgrund des sogenannten “Kindchenschemas” – grossenteils einen hilflosen und bemitleidenswerten Eindruck. Sind dann auf den ersten Blick keine Vogeleltern festzustellen, nehmen viele Natur- und Vogelfreunde kurz entschlossen das vermeintliche “Waisenkind” mit nach Hause. Das ist oft eine Fehlentscheidung!

Denn bei vielen Vogelarten machen die Jungen kurz nach dem Ausfliegen eine sogenannte “Ästlingsphase” durch. In diesem Stadium sitzen die Jungvögel zwar bereits ausserhalb des Nestes, sind aber noch nicht voll befiedert und deshalb auch nicht flugfähig. So kann es dann auch vorkommen, dass sie beim Klettern abstürzen und auf dem Boden landen. Trotzdem werden sie aber von den Eltern nicht aus den Augen gelassen, mit Futter versorgt und gegen Feinde verteidigt.
Was ist also zu überlegen, wenn man einen vermeintlich verwaisten Jungvogel gefunden hat?

Hat der Vogel sichtbare, äussere Verletzungen? Ist das der Fall, muss ein Tierarzt aufgesucht werden.

Feststellen: Um welche Art handelt es sich?

Wenn junge Vögel hilflos aufgefunden werden, muss in der Nähe auch ein Nistplatz sein, der dann gesucht werden muss.
Hierbei ist es hilfreich zu wissen, ob es sich bei dem Findling um einen Höhlen- oder Freibrüter handelt.

Bei den Höhlenbrütern sucht man nach Nistkästen und Baumhöhlen oder an bzw. in Gebäuden nach Spalten, unter Dachrinnen, hinter Fensterläden usw. Oftmals verrät frischer Kot unter den Einfluglöchern, ob die jeweilige Höhle belegt ist.
Freibrüter nisten in Baumhorsten (z. B. Greif- und Rabenvögel), die auch von anderen Vogelarten genutzt werden, oder in Nestern am Boden, in Sträuchern, Hecken und auf Bäumen. Auch hier sind Kot an Bäumen, umher liegende Federn, Nahrungsreste, Nestmaterial und Gewölle Spuren, die zum Nistplatz führen können.

Wenn der Nistplatz gefunden wurde, ist zu klären, ob für den Jungvogel akute Lebensgefahr besteht, wie z. B. durch Autos, Katzen, Hunde, Kinder oder auch starken Regen bzw. ob das Nest (der Nistkasten usw.) beschädigt ist. Werden beide Fragen verneint, sollte man sich verstecken und beobachten, ob der Jungvogel von den Altvögeln weiter gefüttert wird. Wird der Vogel gefüttert, ist alles in Ordnung! Befindet er sich jedoch dabei in der Nähe einer Gefahrenquelle, kann er entweder an einen geschützten und erhöhten Ort gesetzt werden, oder aber zurück ins Nest. Nach dem Umsetzen sollte das Andauern der Fütterung durch die Vogeleltern sicher gestellt sein.

Es ist sehr wichtig, dass wir Menschen nicht in den Lauf der Natur eingreifen – sie findet meist selbst ihr Gleichgewicht. Wir können ihr aber als Hilfestellung dienen, damit die Natur die von uns zuvor angerichteten Schäden regenerieren kann.

Alicia Weirich, Dr. Dirk Schäffer (Vogelschutz-online e.V.)